Auszug aus der langen Geschichte des Hemdglonkerbrauches

1879

In einem Brief heißt es: "Und jetzt will ich Dir von der Konstanzer weltbrühmten Fasnacht erzählen, wo am Schmutzige Dunnstig, also am Donnerstag zuvor, die Fasnet ihren Anfang nahm mit dem abendlichen Hemdglonkerumzug der Gymnasiasten, die ihren Professoren wohl einen Fackelzug brachten, jedoch mit Katzenmusik und Vorhalt aller ihrer Fehler. Die Buben von Quinta bis Oberprima zogen ihre weißen Nachthemden über die Kleider, weiße Zipfelmützen mit angehängtem Fuchs-, Katzen- oder Kuhschwanz, brennenden Fackeln und klassenweise verschiedenen Radauinstrumenten - gleich Gießkanne, Blechdeckel, Kuhhörner, Ratschen, auf Besenstiele aufgezogene Ochsensehnen, die höllische Töne von sich gaben. So zogen sie von einer Professorenwohnung zur anderen, und jeder Herr mußte übel oder wohl sein Sündenregister anhören, wollte er nicht von der ganzen Bürgerschaft als Feigling angesehen werden."

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Quelle: Narrenfreiheit - Beiträge zur Fasnachtsforschung; "Konstanzer Fasnacht", Seite 111-136; Tübinger Verein für Volkskunde e.V. Tübingen, Volksleben 51. Band, 1980

1882

Konstanzer Zeitung (zum Fasnachtssonntag): "Hübsche, originelle Masken traten nur vereinzelt auf, das ganze Faschingstreiben lag, sozusagen in den Händen einiger Haselis und der gewohnten Gestalten im Schlafrock mit weisser Zipfelmütze."

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Quelle: Narrenfreiheit - Beiträge zur Fasnachtsforschung; "Konstanzer Fasnacht", Seite 111-136; Tübinger Verein für Volkskunde e.V. Tübingen, Volksleben 51. Band, 1980

1887

Konstanzer Zeitung vom 23.02.1887 über den "schmutzigen Donnerstag": "... Einige Hanselis bewegten sich ab und zu durch die Straßen. Später vollführte ein von Knaben gebildeter Hemdglonkerzug einen scheußlichen Spektakel."

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Quelle: Narrenfreiheit - Beiträge zur Fasnachtsforschung; "Konstanzer Fasnacht", Seite 111-136; Tübinger Verein für Volkskunde e.V. Tübingen, Volksleben 51. Band, 1980

1888

Stadtarchivar Professor Ruppert schreibt 1888: "Ob es vor Zeiten auch schon Hemdglonker zu Konstanz gab, die an den Fastnachtsabenden mit Windlichtern im Gänsemarsch durch die Straßen zogen und durch ihre Blechmusik und den herrlichen Gesang:

Horig, horig, horig ist die Katz.
Und wenn die Katz nit horig wär,
Fängt sie keine Mäuse mehr.
Horig, horig, horig ist die Katz

die Leute erfreuten, weiß ich nicht. Ich gehöre nämlich nicht zu den Professoren, die alles wissen und verstehen. Ich glaube jedoch, daß es wohl Hemdglonker gab, daß sie aber erst in neuerer Zeit angefangen haben, aus dem Schlafzimmer auf die Gasse herabzukommen und mit Vorliebe die Wohnungen der Lehrer aufzusuchen. Immerhin ist der Aufzug der Hemdglonker noch witziger als das Treiben der meisten "Herren Hansele" aus den oberen Klassen."

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Quelle: Konstanzer Fastnacht Ende des 19. Jahrhunderts, Phillip Ruppert, 1888

1888

Konstanzer Zeitung vom 14.2.1888: Am Schmutzige Dunschtig "zogen dann die spektakelnden Hemdglonker mit schauerlicher Musik durch die Straßen". Am Fasnachtssonntag "... indessen der Hanseli's waren nur wenige erschienen."

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Quelle: Narrenfreiheit - Beiträge zur Fasnachtsforschung; "Konstanzer Fasnacht", Seite 111-136; Tübinger Verein für Volkskunde e.V. Tübingen, Volksleben 51. Band, 1980

1900

(UT, 15.03.2003)

An jenem Donnerstag fangen auch schon z.B. in Konstanz die "Hemdglonker" an, in weißen Hemden und Zipfelmützen, mit Sturmlaternen und Deckeln, "Küchenschapfen" im Dunkel herumzulärmen und den Professoren ein Ständchen zu bringen.
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Quelle: Badisches Volksleben im neunzehnten Jahrhundert. Straßburg 1900, S. 203

1901

Hemd-Glonger 1901

1904

In der Ausgabe der Konstanzer Zeitung vom 13. Februar 1904 steht zu lesen: "Das 300jährige Jubiläum des Hemdglonkernumzugs - so ist die närrische Annahme - wurde gestern abend von den Schülern der Oberrealschule trotz strömenden Regens durch einen Jubiläumsumzug begangen. Gegen ½ 8 Uhr schlängelte sich der Zug durch die Paradiesstraße in das Stadtinnere. Einem Vorreiter folgten Fähnriche, die eine Fahne mit dem Stadtwappen und die Jubiläumsfahne (in rotem Feld ein Hemdglonker mit 2 Zinndeckeln) tragen; dazu kamen Transparente mit allerlei Aufschriften; da las man ,Regimentsmusik aus einer kleinen Garnison', ,Quartett Fürchterlich'; ' Festausschüsse und Klassengruppen schlossen sich an und inmitten des Zuges prangte ein Galawagen, allwo auf hohem Thron der König aller Hemdglonker seinen Zepter führte, voran sein Stab und zwei Lakeien. Den Beschluß bildete die Menge mit Zinndeckeln und Lampions ausgestatteten Hemdglonker, die alle schneeweiße Hemden als Überröcke trugen...."

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Quelle: Zur Geschichte des Konstanzer Hemdglonkerumzuges. In: Bürgerschule - Zeppelin-Oberrealschule - Alexander-von-Humboldt-Gymnasium.1830-1980, S. 211-215, Herbert Hofmann, um 1980

1904

Der Hemdglonker anno 1904 läßt aufmerken. In der Nachtausgabe der Konstanzer Zeitung von 1904 heißt es: Das 300 jährige Jubiläum des Hemdglonkerumzuges - so ist die närrische Annahme - wurde gestern abend von den Schülern der Oberen Realschule trotz strömenden Regens durch einen Jubiläumsumzug begangen. Inmitten des Zuges prangte ein Galawagen, allwo auf hohem Thron der König aller Hemdglonker sein Zepter führte. Transparente mit allerlei Aufschriften und eine Menge Hemdglonker mit Zinndeckeln und Lampions waren zu sehen.

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Quelle: Narrenfreiheit - Beiträge zur Fasnachtsforschung; "Konstanzer Fasnacht", Seite 111-136; Tübinger Verein für Volkskunde e.V. Tübingen, Volksleben 51. Band, 1980

1908

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

Hemdglonkerumzug von 1908

1910

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

Hemdglonker 1910

1911

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

Hemdglonker 1911

1911

Hemdglonkerumzug des Gymnasiums

1911_Hemdglonkerumzug Gymnasium

1911

Hemdglonkerkneipe des Gymnasiums

1911_Hemdglonker Gymnasium

1913

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

Hemdglonkerumzug 1913

1914

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

Hemdglonkerumzug von 1914

um 1930

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

1930 um_Hemdglonker_Alfred Winter

um 1930

Und weil einer für sich allein noch nicht genug "Narr" sein kann auf diese sinnreiche Weise, deshalb haben sich die Konstanzer den "Hemdglonkerumzug" erfunden. Man weiß nicht recht, wer die kluge Narrenidee geboren hat. Sie kann sehr gut aus dem frommen, finsteren Mittelalter stammen, das an Ängsten und seltsamen Gelübden reich war. Vielleicht haben die Konstanzer in den brandroten Nächten der Schwedenbelagerung abgstvoll eine Wallfahrt im Hemde nach einem nahen Wallfahrtsort gelobt, und der fromme Fastnachtszug hat ihnen dann so gut gefallen, daß sie ihn nicht mehr lassen mochten. Vielleicht war nur ein Studentenstreich - aus der Zeit als die Freiburger Universität sich um die Wende des 17. Jahrhunderts vor den Franzosen nach Konstanz geflüchtet hatte - der unschuldige Anlaß für den derben Spaß. Damals haben die Studio einem unbeliebten Dozenten im Hemd eine gehörige Katzenmusik gemacht.
Am "schmutzigen Donnerstag" vor "Fastnacht", wenn der frühe Abend dämmert, sammeln sich die Hemdglonker am Münsterplatz.

Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz,
Und wenn die Katz nit hoorig isch,
So fängt sie keine Mäuse nicht ...

So stimmen sie das Katzenlied an, sobald es dunkel ist. Und unter dem ohrenbetäubenden Lärm zahloser, kräftig bearbeiteter Hafendeckel, Pfannen und Töpfe ziehen sie in ihren übergezogenen Hemden und weißen Zipfelmützen durch die Stadt, im bunten Licht ihrer schaukelnden Lapions, un auf schwelenden Transparenten schwanken die unerbittlich aufgemalten Sündenverzeichnisse der Lehrer als Standarten vor ihnen her. Vor den Häusern der Professoren wird halt gemacht. Jeder von ihnen erhält seine Standrede und nicht zu knapp. Diskussionsfreiheit besteht nicht. Den Schluß der wohlwollenden Zurechtweisung bildet ein überwältigendes Blechdeckelkonzert, und dann geht es weiter. So haben auch die Konstanzer Gymnasiasten das Narrenprivileg, einmal im Jahr den Stiel umdrehen zu dürfen.

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Quelle: Auszug aus dem Artikel "Ein Lob auf die Fastnacht in Konstanz", E. Höll, um 1930
um 1930

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

1930 um_Hemdglonker_O.Apel

um 1930

Hemdglonkerumzug der Oberrealschule

1930_Konstanz_Hemdglonker_gemalt_Knaeble

nach
1945

Ursprünglich zogen nur die Gymnasiasten und Oberrealschüler mit Riesenhemdglonkern von einer Lehrerwohnung zur anderen. Erst in den dreißiger Jahren folgten dann die anderen Schulen diesem Brauch. Durch den letzten Krieg war die Tradition abgebrochen. Ich erinnere mich an den ersten Hemdglonkerumzug nach dem Krieg, der erst am Schmutzigen Donnerstag von den Franzosen genehmigt wurde. Da schämte sich mein junger Bruder, mit dem Nachthemd in die Stadt zu gehen. Erst in der Gruppe haben sie dann den Mut gefaßt, sich das Hemd über den Kopf zu ziehen. Und so fand diese Tradition wieder ihre Fortsetzung. Unser Steuer-Karle hielt damals die Hemdglonker-Rede und sagte unter anderem: "Un wenn mir dis Johr au wenig Saublotere hond, denn hoffe mer, daß mer zu denne Saublotere au bald wieder emol Saue dezue krieget, damit mir wieder singe kennet, borschtig, borschtig isch die Sau. Aber bis dohi singe mer halt hoorig, hoorig!" Nach der Rede des Hemdglonkerkönigs werden die Transparente auf dem Schulhof verbrannt. Mir tat das immer weh, nicht wegen der Kunstwerke, nein, aber do hon i g'wißt, daß mei Ansehe heim Lateinlehrer wieder für e ganzes Johr beim Teufel isch.

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Quelle: Narrenfreiheit - Beiträge zur Fasnachtsforschung; "Konstanzer Fasnacht", Seite 111-136; Tübinger Verein für Volkskunde e.V. Tübingen, Volksleben 51. Band, 1980

1962

Eine typische Erscheinung der Konstanzer Fasnacht ist der Hemdglonkerumzug. Die Entstehungszeiten der Hemdglonkerumzüge in näheren Umgebung von Konstanz lassen erkennen, daß der Konstanzer Brauch ihr Vorbild war. Der Hemdglonkerumzug ist in Konstanz am Schmutzigen Donnerstagabend. Wenn es dunkel geworden ist, schwärmen die Hemdglonker aus, bewaffnet mit Kochdeckeln, "Saublotere" und Fackeln. Sie tragen ein Nachthemd und eine weiße Zipfelmütze. Hemdglonker kann man sein von der 1. Klasse der Volksschule bis zur Oberprima. Hemdglonkerinnen gibt es nur vereinzelte. Zur Zeit finden in Konstanz gleichzeitig zwei solcher Umzüge statt. Der ältere wird von den Schülern der Höheren Schule veranstaltet, der jüngere von der Knabenvolksschule St. Stephan.

a) Der Umzug des Humboldt- und Suso-Gymnasiums

Hemdglonker dieser beiden Gymnasien ziehen auf getrennten Wegen gleichzeitig auf die Marktstätte. Weit entfernt kann man den Lärm, der durch das Blechdeckelgeklapper und das Geschrei dieser Hemdglonkermeute verursacht wird, hören. Wird ein Lehrer gesichtet, stürmt ein Teil des Volkes auf ihn zu und bearbeitet ihn mit der Saubloter. An der Anzahl der Hiebe kann er den Grad seiner Beliebtheit messen. (Es folgt die Rede des Hemdglonkerkönigs - siehe König - und des Präsidenten der Elefanten A.G.)

Nach diesem feierlichen Abschluß der Rede zieht der Zug mit der gleichen Lautstärke wieder zum Schottenplatz und verbrennt dort die Transparente, die ebenfalls alle aus dem schulischen Leben berichten. Die großen Hemdglonker treffen sich anschließend in einem Lokal und die kleinen gehen noch eifrig klappernd nach Hause.

Das Zustandekommen dieses Hemdglonkerumzuges erzählte mir der Hemdglonkerkönig aus dem Jahre 1956.

Die Träger dieses Umzuges sind nur die Schüler. Die jeweilige Oberprima hat die Leitung und wählt aus ihrer Klasse einen König. In den unteren Klassen hilft der Zeichenlehrer noch bei der Gestaltung der Transparente. Die oberen Klassen entwerfen sie selbständig außerhalb des Unterrichts. Die Themen für die Transparente sind alle aus dem schulischen Leben genommen, z.B. ein Zornesausbruch des Lehrers oder eine schlafende Klasse. Ein kurzer Text erklärt immer die dargestellte Situation. Die Transparente sagen vielfach nur den Schülern selbst etwas, da die Zuschauer die Entstehungsgeschichte nicht kennen. Die Schüler kümmern sich nicht um die Herkunft des Brauches, sondern sie veranstalten diesen Umzug, weil das vor ihnen auch alle gemacht haben. Fast alle Mitglieder der Klasse arbeiten bei der Aufstellung des Programms und der Herstellung der Transparente und Riesenhemdglonker immer sehr gerne mit. Die Unkosten werden auch von den einzelnen Klassen selbst getragen. Es ist Pflicht und Ehrensache, daß jedes Mitglied seinen Beitrag liefert, auch wenn es nicht am Umzug teilnimmt. Die Elefanten stellen den Schülern lediglich das Mikrophon auf und geben einen kleinen Zuschuß. Die Leitung liegt aber ganz in den Händen der Schüler. Der Hemdglonkerkönig, ein Oberprimaner, wird aus der Gemütsstimmung der Klasse heraus gewählt. Es ist meistens nicht gerade ein sog. Musterschüler und Tugendlamm. Der Hemdglonkerkönig wählt sich eine Königin; es ist in der Regel auch eine Schülerin. Die Rede entsteht in einer ausgelassenen Stimmung der Klasse. Der Exkönig sagte mir, daß es schwierig sei, hier immer das richtige Maß zu finden. Früher wurde die Rede, die der König nach der Stoffsammlung selbständig aufsetzt, ohne Zensur verlesen. Heute gibt man die Rede ,jedoch zur Deckung und Stütze dem Direkter zur Korrektur. Der König ist aber nicht verpflichtet, die Vorschläge des Direktors anzunehmen. In den meisten Fällen wird er es jedoch tun. Nach dem Kriege kamen natürlich viele nicht einheimische Lehrer an das Gymnasium, die den Brauch nicht kannten und diese Rede als persönliche Beleidigung und Ehrverletzung auffaßten. Die einheimischen Lehrer waren meistens selber einmal Hemdglonker und nehmen eine scharfe Bemerkung, wenn auch nicht immer mit Humor, so doch mit Fassung auf.

Die Zuschauer beklagten sich in den letzten Jahren immer wieder über die Schlagfreudigkeit der Hemdglonker. Es gibt immer einige Haudegen, die ihre Saublotere tatsächlich nur als Schlagwerkzeug benutzen und mit Vollkraft in die Zuschauermenge hineinschlagen. Der König behauptete jedoch, daß die Leute auch nichts vertragen könnten und die Dinge übertreiben würden. Hier muß man meiner Meinung nach beiden Meinungen Recht geben. Die Hemdglonker waren aber schon immer ein kraftvolles Volk, und die Saublotere müssen dabei sein, sonst wirkt der Zug lange nicht mehr so.

b) Der Umzug der Volksschulen

Seit dem Jahr 1949 wird im ältesten Stadtteil der Stadt, der Niederburg, ein zweiter Hemdglonkerumzug durchgeführt. Der Gründer und Organisator dieses Umzuges, Korektor Adolf Ohmer, erzählte mir die Gründung dieses Umzuges.

"Nach dem Kriege war das Bedürfnis der Bevölkerung nach der alten Volksfasnacht sehr groß. Man wollte wieder alles so machen wie vor dem Kriege. Die ganzen Konstanzer Schulen entschlossen sich zu einem gemeinsamen Umzug durch die Altstadt. Dieser Umzug erwies sich aber als zu groß. Die kleinen Hemdglonker der Volksschule wurden auf der Marktstätte von ihren großen Brüdern fast erdrückt. Die Lehrer der Volksschulen waren sich einig, daß diese Organisation auf die Dauer nicht möglich war. Bei einem Gang durch die engen und winkligen Gassen der Niederburg kam dem Gründer die Idee, daß sich diese Gassen zu einem Hemdglonkerumzug vorzüglich eignen würden. Die Narrengesellschaft Niederburg, der der Gründer als Ratsmitglied angehörte, wolIte ihr Ratsmitglied unterstützen und versprach Hilfe. Im Jahre 1949 forderte sie ihre Mitglieder auf, die Häuser und Straßen der Niederburg zu schmücken. Das Material dazu wurde von Konstanzer Firmen gestiftet. Die Lehrer der Stephansschule entwarfen mit den Schülern die Transparente und machten Propaganda. Am Schmutzigen Donnerstag wurden die Hemdglonker dann von den Räten und dem Fanfarenzug der Niederburg auf dem Stephansplatz abgeholt und in die festlich geschmückte Niederburg geführt."

Der Versuch wurde mit Recht gleich ein voller Erfolg. Es sieht zweifelsohne gespensterhaft aus, wenn sich die brüllende und klappernde Schar durch diese engen Gassen der Niederburg schlängelt. Viel Zuschauer gehen deshalb nur noch in die Niederburg und sind bis jetzt noch in keinem Jahr enttäuscht worden. Sie müssen hier auch nicht die Saublotere fürchten, da es den Schülern verboten ist, solche mitzuführen. Die Riesenhemdglonker können wegen Brandgefahr auch nicht mehr mitgeführt werden, doch daran stößt sich niemand.

Die Rede wurde früher in dem sog. Bärengraben gehalten, der dafür wie geschaffen war. Sie wird vom Hemdglonkerkönig gehalten, der durch die Schülermitverwaltung aus der 8. Klasse gewählt wird. Die Rede wird korrigiert, damit, wie mir der Organisator sagte,der Grundsatz gewahrt bleibt: Allen wohl und niemand weh. Heute muß die "Schulreform" auf dem Schulplatz, dem Stephansplatz verkündet werden, da der zugige Bärengraben den Schülern gesundheitlich nicht gut bekommen ist.

Der Gründer mußte leider feststellen, daß der Idealismus der Beworhner dieses Stadtteils etwa nachgelassen hat. Es muß heute wieder viel Propaganda gemacht werden, damit alle bereit sind, ihre Häuser zu schmücken. Bis jetzt lockt aber dieser Umzug jedes Jahr immer noch die gleiche Anzahl von Besuchern herbei und die Schüler sind, wie die Bilder beweisen, mit Leib und Seele dabei.

Heute wird der Umzug der Niederburg natürlich von vielen bevorzugt. Es ist auch einleuchtend, denn er ist geIenkt und ungeheuer wirkungsvoll. Die Lehrer geben den Schülern die nötigen Verhaltungsmaßregeln und die Narrengesellschaft Niederburg sorgt für eine gute Organisation. Man glaubte auch schon, daß sich der wilde Umzug der höheren Schüler auf die Dauer nicht mehr halten kann. Dies möchte ich jedoch nicht behaupten. Wenn der Umzug der höheren Schüler nicht mehr durchgeführt wird, ist auch der gelenkte Umzug der Volksschulen in Gefahr. Beide Umzüge haben ihren eigenen Charakter, und man sollte sie nicht immer miteinander vergleichen, denn sie sind beide auf ihre Art sehenswert.

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Quelle: Der Hemdglonkerumzug. In: "Die Konstanzer Fasnacht"; Zulassungsarbeit zur I. Dienstprüfung für das Lehramt an Volksschulen an der Pädagogischen Hochschule Weingarten; Monika Karrer
1996

Durch den ungebremsten Zustrom zahlreicher Erwachsener, unvorbereiteter Studenten und einer Flut von Fanfarenzügen und Guggemusiken ist der Lindwurm von Jahr zu Jahr länger, lauter und bunter geworden. Das Klappern der Deckel, das Plopp niedersausender Saublotere , die "Ho-Narro"-Rufe und das "Hoorig-Hoorig" hört man kaum noch heraus. Der Zug hat mehr Teilnehmer als Zuschauer. Die Erwachsenen sind dabei, dem Nachwuchs den Umzug zu klauen und ihm den typischen Charakter zu nehmen. Wie erlebte der Zeitungsreporter den Umzug 1996? "Die Grundfarbe ist weiß, das Alter jung, die Idee, sich an den Lehrern für die vergangene Schmach und Unbill zu rächen. Außerdem bietet der Hemdglonkerumzug aber auch Platz für Teufel, Müllmänner, Blumen, Bären, Konservendosen, Bienen, Sternenschiffskapitäne, Drachen, Kühe und ganze Rudel von Vogelscheuchen." Ob der Hemdglonkerumzug jemals wieder eine reinweiße Schüler- angelegenheit wird? Weniger wäre auch beim traditionellen Konstan- zer Hemdglonkeruimzug mehr !

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Quelle: Narren am See, Heinz Hug, 1996

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